Fritz Reutemann teilte die Preisträger beim diesjährigen "Irseer Pegasus"-Wettbewerb per E-Mail mit:
1. Silke Heimes aus Mühlbach mit Prosa 1.500,00 €
2. Thomas Josef Wehlim aus Leipzig mit Prosa 1.000,00 €
3. Thomas Steiner aus Neu-Ulm mit Lyrik 500,00 €
Den Preis der Jury erhielt Norbert Mayer aus Schwarzach im Bregenzerwald in Vorarlberg, dotiert mit 500,00 €
Im Anhang erhielt ich dazu die ausführliche Presseerklärung, die ich hier auch wiedergebe (dazu noch ein paar Anmerkungen zu Presseerklärungen generell von mir, weiter unten):
Sprechen gegen die Harschheit der Welt
Der 13. Irseer Pegasus lotet die Wirklichkeit literarisch aus
Irsee (pm). „Silence is killing me“, mit diesem Zitat aus einem Popsong der Band Itchy Poopzkid endet der mit dem 1. Preis des Irseer Pegasus 2011 ausgezeichnete Text „Bienensterben“ der Autorin Silke Heimes aus Darmstadt. Gegen dieses tödliche Schweigen tritt da eine Frau an, die in einem Akt der Entblößung und des Aufbegehrens die Narben auf ihrer Brust zeigt, die ihr von einer Brustamputation geblieben sind. Silke Heimes gehörte zu den siebzehn Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus der ganzen Bundesrepublik, die am diesjährigen Autorentreffen Irseer Pegasus im Kloster Irsee bei Kaufbeuren teilnahmen, das vom 3. bis 5. Januar stattgefunden hat. Der Irseer Pegasus umfasste in diesem Jahr einen literarischen Workshop unter dem Motto „Wie lange weiter so“, ein öffentliches Expertengespräch mit Vertretern aus der Literaturszene zu der Frage, ob der Literatur die Wirklichkeit abhanden komme, und aus einer Lesung einer bekannten Autorin, diesmal war es Dagmar Leupold aus Tübingen/München.
Der Irseer Pegasus, veranstaltet von der Schwabenakademie Irsee und der Regionalgruppe Schwaben des Verbands deutscher Schriftsteller in verdi, fand in diesem Jahr zum dreizehnten Male statt. Seine Besonderheit und in dieser Art einmalig im bundesdeutschen Literaturbetrieb: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops wählen selbst die ersten drei Preisträger aus ihren Reihen. Der 2. Preis wurde Josef Thomas Wehlim aus Leipzig für seinen Text über einen aus Afghanistan traumatisiert zurückgekommenen Bundeswehrsoldaten zugesprochen. Den 3. Preis erhielt Thomas Steiner aus Neu-Ulm für seinen Gedichtzyklus „die liebe, der tod & die mäuse“. Der Preis der Jury ging an den Vorarlberger Norbert Mayer für seine zivilisationskritische Litanei mit englischen, mundartlichen und selbst gejodelten Passagen.
Aus insgesamt einundneunzig aus der gesamten Bundesrepublik eingegangen Bewerbungen hatte die Jury, bestehend aus Projektleiter Rainer Jehl, Sylvia Heudecker, Fritz Reutemann sowie den beiden Gesprächsleitern des Workshops, Eva Leipprand und Rainer Wochele, die siebzehn Teilnehmer und Teilnehmerinnen ausgewählt, deren unveröffentlichte Texte im Plenum gelesen und dann kritisch aber auch solidarisch diskutiert wurden. Auffallend war bei den Geschichten und Erzählungen, ein monologisches Sprechen, mit dem sich die vorgestellten Figuren ihrer selbst und ihrer Welt versicherten in einem Ringen um eine Stimme, die gegen das Schweigen in uns und außen in der Gesellschaft angehen kann.
So zeigt der Sieger-Text von Silke Heimes unter den äußerlich tastbaren Narben die seelischen Verwundungen einer Frau, die gegen einen Panzer aus Gefühlskälte, Überheblichkeit und Unverständnis in einem Akt amazonenhafter Aggressivität aufbegehrt, um sich so aus ihrer Schamhaftigkeit, Unterwürfigkeit und Wortlosigkeit zu befreien. Wie ein Pfeil bohrt sich dieser Text in die Zukunft, deren Möglichkeit durch die kompositorisch außergewöhnliche Form des zweiten Futurs, in welcher der Text durchgehend geschrieben ist, auch schon wieder in Frage gestellt wird.
Der dreizehnte Irseer Pegasus (benannt nach einer Malerei auf dem Türblatt in dem ehemaligen Kloster) machte deutlich, die Autoren schreiben über die tödliche Trägheit, Trauer, Starrheit, Gleichgültigkeit im Inneren der Menschen, in ihren Beziehungen, in der Gesellschaft, in der sich ihre Figuren oft seltsam ort- und zeitlos bewegen. Das führt zu Texten, die manchmal tastend, manchmal parabelhaft ausholend, dann wieder brutal direkt benennen, anklagen und demaskieren – nie aber denunzieren.
So beschreibt der beklemmende Bericht von „Feldweb“ – so heißen Titel und Protagonist der mit dem 2. Preis ausgezeichneten Geschichte Thomas Josef Wehlims aus Leipzig – und seiner Rückkehr als traumatisierter Afghanistankämpfer, den Aufprall der grauenhaften Bilder in seinem Kopf und der Ängste in seiner Seele auf die Harmlosigkeit seiner Familie, die Bemühtheit seiner Gemeinde, die professionalisierten Bewältigungsmaschinerie der Bundeswehr. Gerade weil weder die Ehefrau, noch der Bürgermeister noch der Oberst in ihrer Hilflosigkeit bloßgestellt werden, zeigt sich umso wuchtiger die unteilbare Einsamkeit und unvermittelbare Andersartigkeit, in welche seine Kriegserfahrung diesen Mann gebracht hat.
Immer wieder suchen die Autoren den unverstellten Blick auf die Wirklichkeit unserer Gesellschaft und ihre Menschen, die z.B. am Rande des Selbstmordes die „Systemfrage“ stellen (Horst Senger), die durch die Netze unserer Cyber-space-Welten fallen und in der Psychiatrie landen (Christel Steigenberger) oder die in den sterbenden Dörfern leise unserem Gedächtnis entschwinden (Michael Hüttenberger). Menschen im Kaufhaus oder solche, die es dort nicht mehr aushalten, beschreibt der dritte Preisträger des Irseer Pegasus, Thomas Steiner aus Neu-Ulm, in seinem Gedichtzyklus „die liebe, der tod & die mäuse“ mit skurril surrealen Fabelgedichten, deren Pointen in abgrundtiefe Traurigkeit führen. Nur selten treibt der durch intensives Hinschauen und genaues Beobachten der Menschen gewonnene Gestus des Zeigens in diesen Texten zum direkten Protest wie in der „Quasi-Litanei“ des Schriftstellers Norbert Mayer aus Vorarlberg: „wir fressen uns den durst aus der seele / und saufen uns das hungern ab / wir lagern die zeche auf urenkel aus / und betteln wellness voll cool im trend“-
Gerade die Texte der beiden letztgenannten Preisträger zeigen eine weitere Tendenz dieses Autorentreffens. Die Wirkungsabsicht heiligt die Mittel – auch die ältesten. Das kann dann auch dazu führen, dass sich der kritische Blick auf gegenwärtige Zustände bei Kornelia Koepsell durchaus wirkungsvoll antiker
Versmaße bedient: „kümmerlich klammert der Kapitalist sich ans Rednerpult, kläglich / kommen die Worte von seinen Lippen, / so schlimm war es noch nie, / die Krise des Bankensystems, der kleinlaute Kurs, / alles vergeht.“
Mit den zu diesem Pegasus eingeladenen Experten aus der literarischen Szene (Martin Hielscher, München; Rudolf von Bitter, München; Romain Leick, Hamburg und Dagmar Leupold, München/Tübingen) kann man zu dem Schluss kommen, dass die Gegenwart der heutigen Literatur nicht abhanden kommt, dass aber die Wege zu dieser Gegenwart manchmal Umwege einschließen. Diese greifen nicht nur alte Formen auf, sondern auch alte Stoffe, wie Märchen oder Mythen und sogar historische Personen wie den Dichter Kleist und Ulrike Meinhoff, wie Dagmar Leupold in ihrem beim Irseer Pegasus zur Diskussion gestellten jüngsten Roman „Die Helligkeit der Nacht. Ein Journal“ zeigen konnte.
Meine Anmerkungen (Dieter Walter):
Ich hatte ein paar Probleme, die Presseerklärung wiederzugeben, denn sie war formatiert (das ist nicht Fritz Reutemanns Fehler, sondern der der Pressestelle) – an ein paar Stellen (Überschrift) gab es Fettdruck, der sich noch relativ leicht entfernen ließ, aber dann kamen eingefügte Seitenumbrüche Seitenrandformatierungen, die den Text an den Irseeer Bürobriefbogen anpassten – und die sich dann mit meinen Formatierungen zu ganz schmalen Spalten addierten, und ich musste erst herausfinden, welche der bei WORD vorhandenen Formatmöglichkeiten angewandt wurde, um den Text dann hier ordentlich darstellen zu können.
Mein Prinzip bei Presseerklärungen, die übers Internet oder per Mail verbreitet werden: Fließtext ohne jede Formatierung (am besten als rtf abgespeichert)! Jede Zeitung, jeder Blog hat eigene feststehende Formate, oft am PC voreingestellt, die man mit Formaten im Einsendetext ganz schön torpedieren kann, und das verursacht Arbeit – gerade Journalisten aber haben keine Zeit. Wenn ihnen ein Absender einmal so richtig Zusatzarbeit gemacht hat, wird er künftig vom jeweiligen Journalisten ignoriert – das darf man dann keineswegs als böse Absicht interpretieren: Es ist einfach Selbstschutz.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen